Besser den Pool nicht befüllen
von Marketing
Frankreich: Dürrealarm an der Côte d’Azur
In Frankreich ist es schon jetzt so trocken wie sonst Ende Juli, meldet Météo France. Gerade hat das Land die frühste je gemessene Hitzewelle erlebt - mit Temperaturen bis zu 43 Grad und ersten Waldbränden. Den Landwirten hat Frankreichs Agrarminister bereits nationale Solidarität versprochen. Denn der Grundwasserspiegel sinkt, und selbst heftige Niederschläge werden ihn nicht stabilisieren können, warnen Frankreichs Geologen in ihrem Bulletin. An die 40 Départements haben deshalb die Wassernutzung bereits eingeschränkt.
Im Vendée am Atlantik oder in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur ist die Lage besorgniserregend. Dort liegt oberhalb Nizzas auch das malerische Bergdorf Villars-sur-Var. Hier hat die Versorgungsquelle innerhalb eines Monats ein Drittel weniger Trinkwasser geführt - bei gleichbleibendem Verbrauch. Um nicht ganz auf dem Trockenen zu sitzen, hat Bürgermeister René Briquetti eine neue Entnahmequelle angezapft - doch nur zum Duschen und für die Toilette. Zähneputzen, Kochen oder Trinken von Leitungswasser war vier Tage lang verboten. Der Grund: Er brauchte erst grünes Licht von der Hygienebehörde, dass das neue Trinkwassergemisch unbedenklich sei. Die 760 Einwohner konnten sich solange im Rathaus pro Tag und Person zwei Literflaschen Wasser abholen.
Inzwischen hat der frankreichweit bekannt gewordene Bürgermeister im französischen Fernsehen verkündet: Das neue Trinkwasser sei sauber. In dem Dorf, eigentlich sattgrün an einem Bergfluss gelegen, hatte es lange nicht geregnet. Dazu kam die Hitze. Im gesamten Departement rund um Nizza an der bei Touristenschwärmen beliebten Côte d’Azur herrscht seit Wochen Dürrealarm. Autowaschen, Pool befüllen, Rasen sprengen - alles verboten. Auch die Brunnen wurden abgestellt. In Villars-sur-Var freut man sich nun erstmal wieder auf einen Aperitif unter Platanen, einen mit Eiswürfeln. Stefanie Markert, ARD-Studio Paris
Was alles zu beachten ist: Im französischen Groix mahnt ein Plakat zum schonenden Umgang mit Wasser. Bild: AFP
Portugal: Eine verhängnisvolle Verkettung
Portugal leidet in diesem Jahr unter extremer Dürre. Aktuell herrschen in zwei Dritteln des Landes extreme, in einem Drittel schwere Trockenheit. Ein besonders trockener Winter, hoher Wasserverbrauch in Landwirtschaft und Tourismusbranche, Leitungsverluste - viele Faktoren kommen zusammen. Der Minister für Umwelt- und Klimapolitik versichert zwar, die Trinkwasservorräte reichten für mindestens zwei Jahre, ruft aber alle Portugiesinnen und Portugiesen auf, Wasser zu sparen, wo immer es geht.
Für den Juli ist eine landesweite Kampagne zur Sensibilisierung geplant - in manchen chronisch trockenen Regionen gibt es sie schon länger. Portugal will jetzt auch Geld aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds nutzen, um die Wasserwirtschaft zukunftssicher und nachhaltig zu machen. Unter anderem soll die Bewässerung mit Brauchwasser gefördert und Meerwasser-Entsalzungsanlagen gebaut werden, betrieben mit Energie aus regenerativen Quellen.
Portugals Landwirtschaft ist zum Teil auch auf Wasser aus Flüssen angewiesen, die in Spanien entspringen. Weil auch Spanien häufiger unter Trockenheit leidet, wird dort immer wieder so viel Wasser entnommen, dass es der portugiesischen Landwirtschaft Probleme bereitet. Die Nachbarländer haben jetzt zum wiederholten Mal eine enge Abstimmung vereinbart. Reinhard Spiegelhauer, ARD-Studio Madrid
Der Fluss Guadiana in Portugal führt deutlich weniger Wasser als üblich - die Ursachen dafür sind nicht nur in Portugal zu suchen. Bild: EPA
Italien: Warten auf Regen
Die Dürre könnte noch wochenlang anhalten, das befürchtet der Zivilschutz in Italien. Momentan sind besonders die nördlichen Regionen betroffen, aber die Wasserknappheit weitet sich zunehmend in den Süden aus, der Ruf nach einem nationalen Notstand wird lauter. Der Pegelstand des Po, des längsten Flusses Italiens, ist so niedrig wie seit 70 Jahren nicht mehr, mancherorts hat es seit vier Monaten nicht mehr geregnet.
Gleichzeitig mangelt es an Schmelzwasser aus den Bergen, der Winter war zu mild. So sind auch Seen wie der Lago Maggiore zu wenig gefüllt. In der Landwirtschaft ist die Produktion stark zurückgegangen, betroffen sind die Ernten von Gerste und Mais, gefährdet ist der Anbau von Tomaten und Obst wie etwa Wassermelonen. Für die Reisbauern im Po-Delta ist die Situation besonders dramatisch, da das salzige Meerwasser kilometerweit in den Flusslauf dringt und eine Aussaat unmöglich macht.
In vielen Gemeinden ist das Wasser rationiert, die Menschen dürfen es nur zum Trinken oder andere lebenswichtige Zwecke verwenden, teilweise wird das Wasser über Nacht abgestellt. Auch Tanklaster sind unterwegs. Um den größten See Italiens, den Gardasee, ist ein Streit entbrannt. Er soll Wasser abgeben, aber die Verantwortlichen vor Ort fürchten um seine Reserven, auch er könnte dann ein kranker See werden. Elisabeth Pongratz, ARD-Studio Rom
Auch der Po in Norditalien verzeichnet deutlich niedrigere Pegelstände. Bild: dpa
Polen: Akut von Wasserknappheit bedroht
Auch in Polen ist Wasserknappheit ein Thema, vor allem in den besonders betroffenen Gebieten im Westen und Nordwesten des Landes, in der Gegend um Posen oder im westlichen Pommern - da, wo Dürren Badeseen austrocknen und Bauern alljährlich in die Verzweiflung treiben.
Neben dem Klimawandel ist die Wasserkrise auch hausgemacht. Denn anders als im "wilderen" Osten des Landes haben die Menschen in Westpolen über die Jahrzehnte intensive Landwirtschaft betrieben, natürliche Feuchtgebiete trockengelegt und Bäume gerodet. Im Osten fungieren ausgedehnte Urwälder wie die Bialowieza hingegen noch als natürliche Wasserspeicher, wobei es dort auch trockener wird und es zuletzt zu erheblichen Torfmoorbränden kam.
Gemessen an der Statistik gehört Polen laut UN-Definition schon heute zu den EU-Ländern, die akut von Wasserknappheit bedroht sind. In Sachen Süßwasserreserven liegt das Land mit 1600 Kubikmetern erneuerbare Süßwasservorräte je Einwohner auf einem der hinteren Plätze in der EU. Und das, obwohl der natürliche Lauf der Dinge vielerorts noch nicht geradegebaggert wurde. Die Weichsel zum Beispiel mäandert in weiten Teilen ziemlich ungestört durchs Land und schiebt ganze Sandbänke vor sich her - mit dem schönen Effekt, dass zum Beispiel gestresste Großstädter aus Warschau dort versteckte Idyllen am kühlen Wasser finden, wo man zeitweilig ganz allein die Seele baumeln lassen kann. Jan Pallokat, ARD-Studio Warschau
Das System der intensiven Landwirtschaft kommt im Westen Polens an seine Grenzen, doch ein Umsteuern braucht
tagesschau.de, veröffentlicht am 25.06.2022